Veröffentlicht: Salty Souls MagazineText: Katharina KörfgenFotos: Katrin Behrens
Wir kommen müde nach einer durchfahrenen Nacht an einem Campingplatz irgendwo an der französischen Atlantikküste an. Unsere Rollkoffer knirschen auf dem steinigen Campingplatzboden. Als wir durch den Eingang des Camps treten fühlen wir uns wie in einem anderen Land: bunte Hängematten, Muschelketten die von Bäumen hängen, riesige Pinien und im Hintergrund läuft natürlich Jack Johnson. Ein braungebrannter Junge begrüßt uns mit einem verschmitzten Lächeln und zeigt uns das Camp. Wir finden alles ganz furchtbar aufregend und sind von der Kulisse und den vielen schönen Menschen etwas eingeschüchtert. Nachdem wir die Rollkoffer in unserem Zelt verstaut haben, zieht uns es uns ans Meer. Schließlich wollen wir wissen was uns erwartet. Wir folgen den Schildern »La Plage« und rennen die letzten paar Meter hechelnd die steile Düne hoch. Angekommen.Kilometerlanger Sandstrand rechts und links von uns. Vor uns das Meer mit tosenden auf den Strand klatschenden Wellen. Hinter uns endlos grüne Weiten aus süßlich duftenden Pinien. Hätten wir damals gewusst, dass die kommenden 14 Tage unser Leben verändern werden….
Am nächsten Morgen um sechs treffen wir uns alle am Strand. Jeder bekommt ein Surfbrett und einen Neo. Ein Erste Hilfe Kurs wäre vielleicht auch nicht schlecht gewesen, denken wir uns bei dem Anblick auf die weißen Wellen. Vielleicht ist ein Erwachsenenleben doch nicht so cool und ein der Surfcamp der falsche Weg zur Unabhängigkeit. Doch aufgeben kommt nicht in die Tüte, die 13 Stunden Fahrt sollen sich gelohnt haben. Also wagen wir uns mit Surfbrett in die gefühlt hochhaushohen Wellen. Die Strömung reißt uns direkt zur Seite und wir klatschen aufs Brett. Wir fragen uns was daran wohl Spaß machen soll und sind uns sicher, dass wir nie wieder surfen gehen werden.
In den letzten Jahren haben wir die Welt gesehen und überall gesurft wo uns der Geldbeutel hingebracht hat. Von den Weiten des Pazifiks, über den Indischen Ozean und die europäische Küste entlang bis nach Afrika. Wir haben viel gesehen, viel gelernt, viele misslungene Take Offs gehabt und sind plötzlich immer mehr und mehr Wellen gesurft.
Damals im Sommer 2006 hatten wir alle noch keine blassen Schimmer, was wir uns mit dem Besuch im Surfcamp in Frankreich eingehandelt haben. Fluch und Segen zugleich. Eine Liebe zum Meer und einen unstillbaren Hunger auf den Surfbrett zu stehen. Doch trotz der Surftrips rund um die Welt zieht es uns immer wieder, Sommer für Sommer auf diesen kleinen Campingplatz in Frankreich. Mal sind es nur wenige Tage, mal mehrere Wochen.
Doch warum zieht es uns Jahr für Jahr nach Frankreich? Es gibt doch einsamere Plätze, leerere schönere Wellen, aufregendere Landschaften und abenteuerliche Wege als eine Sanddüne zum Strand…Wir reden hier allerdings von einer Art Versprechen. Eine Garantie auf gute Zeiten mit guten Freunden. Die beste Zeit im Jahr trotz meist ernüchternder Wellen, vollen Line Ups und lauten Partynächten.
Die Magie von »Les Landes« entsteht durch die vielen Kleinigkeit, die ein Pulverfass an Glückseligkeit ergeben.Es ist der Geruch der Pinienwälder, den man selbst im kalten Deutschland jederzeit durch die Nase strömen lassen kann. Das Knirschen und Piksen unter den Füßen, wenn man sich barfuß einen Weg über die Piniennadeln am Boden bahnt.Es ist das Geräusch, des Zeltreißverschlusses, das einen pünktlich zum Sonnenaufgang weckt.Das Baguette mit Käse und Gurke, das man morgens schmiert und dann stundenlang in der Mittagssonne am Strand liegen lässt, bevor es gegessen wird. Es ist der schweißtreibende Weg zum Meer über die Düne. Und der Blick auf die Wellen mit der Frage, wie man da und vor allem was surfen soll. Es ist der Mittagsschlaf in der Sonne und einer weiterer Mittagsschlaf in der Hängematte im Schatten. Es die Fahrt zum Supermarkt durch die weiten Pinienwälder und es ist ein Abendessen mit Garnelen und Wein an einem großen Tisch mit Freunden. Es ist der Campingplatz und es sind dreckige Füße.
Es sind die endlosen Kreisverkehre, an denen man nie abbiegt sondern immer nur weiter geradeaus fährt.Es ist das morgendliche in die kalten noch nassen Neoprenanzüge quetschen.Und es ist ein Croissant, ein Chocolatine und ein Kronenburg.Es ist der Bäcker, der schon aus Anstand keine andere Sprache als Französisch spricht.Es ist der obligatorische Ausflug nach Hossegor.Und es ist ein Lächeln, wenn man vom Wasser aus auf die Pinienwälder starrt.
Es ist soviel Kleines, es sind Gerüche und Geräusche die sich zu einem Ganzen formen: einer zweiten Heimat, die nur 12 Autostunden von Deutschland entfernt ist und keinen Langstreckenflug bedarf. Eine Insel in Mitten des tristen Alltags, ein Ticket zur Tage der Freude. Frankreich ist zum surfen sicherlich nicht perfekt, aber darum geht es nicht.Vielleicht aber geht es auch um das aufregende Gefühl, dass wir damals bei unserem ersten Urlaub ohne Eltern hatten, als wir die Welt noch nicht gesehen haben. Als wir noch voller Hoffnung an alle Wunder geglaubt haben. Vielleicht ist es eine Reise in eine längst vergangene Zeit, in der wir unbeschwert in den Tag hinein leben und noch mal das sein können was wir mal waren.
Worum es auch immer gehen mag, die 120 km lange Sandküste ist und bleibt einfach ein magischer Platz weil wir wissen, dass uns keine Insel auf den Malediven, kein Strand in Bali und keine Welle in Australien jemals das Gefühl von »Frankreich« geben wird.
Wir freuen uns schon jetzt auf 10 weitere Dekaden voller Käsebaguettes und Zeltreißverschlüsse.